Gertrud Luckner (1900–1995)

Gertrud Luckner (1900–1995)

Biografie

Gertrud Luckner in jungen Jahren

Als Jane Hartman wurde Gertrud Luckner am 26. September 1900 in Liverpool geboren. Ihre Eltern Gertrude und Robert Hartman(n) gaben den Säugling als Pflegekind zu dem deutschen Ehepaar Luckner, das kinderlos war und Gertrud Jane 1922 adoptierte. Die leiblichen Eltern – der Vater war deutscher Marineoffizier – reisten ab und kehrten nie mehr zu ihrer Tochter zurück. 1907 übersiedelten die Luckners von England nach Deutschland.

Bedingt durch häufige Krankheiten und den 1. Weltkrieg machte Gertrud Luckner erst 1925 in Königsberg Abitur und begann mit dem Studium der Volkswirtschaft – eine in dieser Zeit ungewöhnliche Wahl für eine junge Frau. Sie studierte in Königsberg, Frankfurt/Main, Birmingham und Freiburg. Auslandsreisen, Wanderungen, Mitarbeit in der Quäker-Bewegung und im Friedensbund deutscher Katholiken sowie Sozialpraktika in Deutschland und England prägten ihre Studienjahre. „Eine kleine, hübsche, temperamentvolle Person, immer mit dem Fahrrad unterwegs“ – so charakterisierte sie ein Freiburger Weggefährte.

1930 schloss sie ihr Studium als Diplom-Volkswirtin ab, 1938 promovierte sie mit einer Dissertation über die Selbsthilfe der Arbeitslosen in England und Wales. Im selben Jahr wurde sie hauptamtliche Mitarbeiterin beim Deutschen Caritasverband in Freiburg, bei dem sie bis Ende 1968 angestellt war.

Frau Dr. Luckners Einsatz für Verfolgte während der Zeit des Nationalsozialismus

„Schon früh habe ich das Unheil kommen sehen. Schon in den zwanziger Jahren. Ich hatte keine Illusionen. Mir war klar, was auf uns zukam.“

So beschrieb Frau Luckner ihre kompromisslose Haltung zum Nationalsozialismus. Schon 1932 riet sie Juden: „Heraus aus diesem Lande!“

Mit Freiburger Schülerinnen und Schülern diskutierte sie offen in einem „English Club“ die aktuelle politische Lage. 1933 begann die Gestapo ihre Post zu überwachen – wegen ihrer Auslandskontakte und ‚pazifistischen Tendenzen’. Je mehr der braune Terror gegen Andersdenkende und Juden zunahm, desto mehr nutzte Gertrud Luckner ihre internationalen Beziehungen, um Verfolgten zu helfen.

Ab 1941 hatte sie dafür eine Vollmacht „für außerordentliche Seelsorge“ des Freiburger Erzbischofs Gröber. Sie arbeitete, immer bedacht, niemanden außer sich selbst zu gefährden, mit jüdischen Organisationen und dem evangelischen und katholischen Widerstand zusammen. Finanziell unterstützt von der katholischen Kirche, der sie 1934 beigetreten war, und mit einem Netzwerk heimlicher Helfer organisierte sie Lebensmittel, Medikamente, Geld, Ausweise, Verstecke, Fahrmöglichkeiten und Fluchtwege, so über die grüne Grenze in die Schweiz.

„Ich musste meine Pflicht tun“. Und: „Man hilft, wo man helfen kann.“

Derart lakonisch kommentierte sie später ihre riskanten Aktivitäten im ganzen Großdeutschen Reich. Dabei machte sie die deprimierende Erfahrung: „Die Not ist immer schneller als die Hilfe.“ So auch in der Reichspogromnacht 1938, in der Frau Luckner bis zum frühen Morgen mit ihrem Rad durch Freiburg fuhr, um Juden zu warnen. Sie selbst wurde oft gewarnt, die Überwachung durch die Gestapo war ihr nur zu bewusst. Schließlich wurde sie im März 1943 verhaftet und monatelang verhört. Als Schutzhäftling Nr. 24648 war sie bis zur Auflösung des Lagers im April 1945 im Frauen­kon­zen­tra­tions­lager Ravensbrück, in dem über 92.000 Häftlinge umkamen.

Unermüdlich auch nach dem Krieg

Dr. Luckner in älteren Jahren

Dr. Luckner überlebte. Ihre Gesundheit blieb durch den harten Arbeitseinsatz im Lager für immer angeschlagen. Doch ihre Energie war ungebrochen.

Nach dem Kriegsende setzte sie ihre Arbeit in Freiburg fort, baute die Abteilung Verfolgtenfürsorge im Caritasverband auf und setzte sich in den folgenden Jahrzehnten vehement für die Opfer des Nationalsozialismus ein. In dem von ihr gegründeten, noch heute erscheinenden „Freiburger Rundbrief“ wandte sie sich gegen Antisemitismus und Neofaschismus und trat für den Dialog zwischen Juden und Christen, zwischen Deutschen, Israelis und Arabern ein.

1951 wurde sie als eine der ersten Deutschen nach Israel eingeladen. 1975 wurde in Nahariyya, in der Nähe von Haifa, das Altenwohnheim „Gertrud Luckner“ gegründet, das sich um Menschen kümmert, die im Dritten Reich auf Grund der Nürnberger Gesetze verfolgt worden waren. Auch ein Baum im „Hain der Gerechten“ in der Gedenkstätte Yad Vashem trägt ihren Namen.

Dr. Luckner und die Gertrud-Luckner-Gewerbeschule

Dr. Luckner mit dem damaligen Ober­bürger­meister Rolf Böhme

1987 gab sich unsere Schule im Beisein von Frau Dr. Luckner den Namen „Gertrud-Luckner-Gewerbeschule“.

Jeweils am 26. September begehen wir den „Luckner-Tag“.

Was können wir von Frau Luckner für die aktuelle politische und soziale Situation lernen? Was bedeuten Zivilcourage und Toleranz heute? Diesen Fragen werden nicht nur am „Luckner-Tag“ mit besonderen Veranstaltungen nachgegangen, sondern immer wieder in Unterrichtseinheiten verschiedener Fächer.

Vor dem historischen Gebäude der GLG in der Kirchstraße ist ein „Stolperstein“ ein weiteres Zeichen dafür, dass Frau Luckners politische Weitsicht und ihr mutiges Handeln auch im 21. Jahrhundert unvergessen sind.

Die letzten Jahre verbrachte Frau Dr. Luckner, Freiburger Ehrenbürgerin und Trägerin zahlreicher Auszeichnungen, im Altersheim St. Carolus in Freiburg, körperlich zunehmend hinfällig, doch geistig aktiv wie immer.

Sie starb am 31. August 1995 und wurde auf dem Hauptfriedhof in Freiburg beigesetzt.